Farbtypenlehre

Sobald Farben zusammenkommen, entsteht ein Kontrast, der sich auf den Betrachter auswirkt.

Johannes Itten – Begründer der Farbtypenlehre

Der Schweizer Johannes Itten (1888-1967) war Kunstpädagoge, Kunsttheoretiker, Maler und ein umtriebiger Mensch. Zunächst war er Primarlehrer in Bern, studierte später Kunst in Genf und Naturwissenschaften in Bern. Itten gilt als Begründer der Farbtypenlehre und Urvater der Farbberatung. Seine Erkenntnisse werden nach wie vor bei der Planung von Wohn- und Büroräumen und in der Drucktechnik genutzt, wo sich sein CMYK-Modell durchgesetzt hat. Der zwölfteilige Farbkreis enthält die Primärfarben Gelb, Rot und Blau und die Komplementärfarben Grün, Orange und Violett sowie Mischungen der Farben untereinander in unterschiedlichen Verhältnissen. Schwarz und Weiß werden nicht als Farben betrachtet. Die wechselseitige Beeinflussung von Farben wurde von Itten in sieben Farbkontrasten beschrieben: Farbe-an-sich, Hell-Dunkel, Kalt-Warm, Komplementär, Simultan, Qualität und Quantität.

Die Wirkung von Kontrasten

Sobald Farben zusammenkommen, entsteht ein Kontrast, der sich auf den Betrachter auswirkt. Zwei Primärfarben wirken fröhlich und kindlich und werden gut und gerne in Kinderzimmern eingesetzt. Hell und Dunkel intensivieren sich wechselseitig, diese Form des Kontrastes ist meist vorhanden. Kalte und warme Farben in Kombination drücken etwas Gegensätzliches aus, Kälte in der Malerei suggeriert Entfernung. Die Qualität einer Farbe meint die Reinheit der Farbabstufungen, wie beispielsweise Rot im Vergleich zu Rosa, die Quantität meint die Größe unterschiedlicher Farbblöcke, die eine andere Wirkung abhängig von ihren Maße erzielen. Komplementärfarben wirken harmonisch, ansprechend und ausgewogen. Simultan sind bunte Farben aus der Nachbarschaft des Farbkreises (nicht komplementär), die anregend bis beißend wirken. Harmonie, Aufregung und Raumtiefe sind die Werkzeuge für starke Inszenierungen.

Leben und Werk

Zwischen 1913 und 1916 übernahm Johannes Itten an der Stuttgarter Akademie die Farbenkontrastlehre von Adolf Hölzel und entwickelte die Lehre der Farbtypen, die alle Menschen in vier unterschiedliche Kategorien einteilt nach den Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Während Frühling und Herbst zu den warmen Typen zählen, rechnete Itten Sommer und Winter zu den kalten. Dabei spielte der Hautton, der Teint sowie die Haarfarbe und die Farbe der Augen eine Rolle. Itten fand in Experimenten heraus, dass sich Menschen zu Farben hingezogen fühlen, die sie auch am besten kleiden, die ihnen am besten stehen. Itten beschäftigte sich auch mit der Wirkung von Farben auf Menschen, wie Rot für Wärme und Blau für Kälte. Farben bedeuteten für Iten „musikgewordenes Licht“.

Johannes Itten am Staatlichen Bauhaus in Weimar

Das Ende des Ersten Weltkriegs überlebte Johannes Itten in Wien, wo er seine eigene Kunstschule gründete, um wirtschaftlich zu überleben. Dort lernte er den Architekten und Bauhausgründer Walter Gropius kennen, der ihn im Jahr 1919 als einen der ersten Künstler als Werkmeister an das Staatliche Bauhaus in Weimar holte. Das Bauhaus wollte Kunst und Handwerk vereinen und neue Wege nach dem Ersten Weltkrieg gehen, gerade geometrische Linien statt überflüssige Schnörkel – der Beginn modernen Designs. In Weimar richtete sich der Bauhaus Meister ein Maleratelier im Tempelherrenhaus ein, ein für den Fürstenhof im Jahr 1786 umgestalteten „Salon im Park“. Im Bauhaus etablierte Itten den Vorkurs, eine Art Kreativitätslabor, der die Grundlage für die weitere künstlerische Entwicklung der jungen Studenten legen sollte. Es ging ihm um die Erweiterung des Denkens der jungen Menschen, inspiriert von der Reformpädagogik. Der kreative Geist sollt geweckt werden, die jungen Künstler sollten intuitiv arbeiten statt über den Kopf. Materialstudien und Skulpturen aus Müll entstanden. Im Tempelherrenhaus begann die Stunde mit Körper- und Atemübungen. Ittens Kleidung wurde als Bauhaus Kutte bekannt, sie war spirituell inspiriert, auf der Suche nach westlich-östlicher Verbindung. Im Konflikt um die Frage, welchem Zweck das Bauhaus dienen soll, der Kunst an sich oder der Industrie gewann Gropius. Itten gehörte zu den Kritikern der Industrialisierung und der Massenproduktion, Gropius wollte Prototypen für die Industrie entwickeln. Itten ging zurück in die Schweiz. Der Vorkurs in der Kunstausbildung, moderne pädagogische Ansätze und die Farbtypenlehre haben bis heute Bestand. Seine Schüler sagen über ihn, dass er sie unterstützt habe, ihren eigenen Stil zu finden - die hohe Kunst der Pädagogik.

Ittens Leben nach dem Bauhaus

Zwischen 1923 und 1926 schloss Itten sich in Herrliberg, Nähe Zürich, dem reformierten Zarathustrismus an, der Mazdaznan Tempel Gemeinschaft. Dort gründete er auch die Ontos Kunstschule und die Handweberei Ontos Werkstätten. 1926 bis 1934 gründete IItten seine eigene Kunstschule in Berlin, 1932 bis 1938 leitete er in Krefeld die Fachschule für textile Flächenkunst. Nach der Kündigung durch die Nationalsozialisten ging er in die Niederlande, um von dort in die USA auszuwandern. Stattdessen wurde er 1938 bis 1954 Direktor der Kunstgewerbeschule Zürich und leitete von 1952 bis 1956 das Museum Rietberg in Zürich. Zurück in Deutschland unterrichtete er an der neuen Hochschule für Gestaltung in Ulm die ersten Studenten. Itten wollte wieder malen, die letzten Jahre verbrachte er mit viel Malerei in seinem kleinen Atelier in der Nähe von Zürich, das bis heute fast im Originalzustand erhalten und in Familienbesitz geblieben ist. Dort entstanden über 600 Originale, Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen. Seine Tochter, die Historikerin Marion Lichardus-Itten (*1941), ist Präsidentin der 1992 gegründeten Johannes-Itten-Stiftung, die am Kunstmuseum Bern ansässig ist und das Werk des Künstlers erforscht. Bedeutende Bauhaus Architekten wie Walter Gropius, Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe beeinflussten nach ihrer Flucht aus Nazi-Deutschland maßgeblich die Architektur in den USA.

 


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