Von der Lebensmittelproduktion bis zur Oberbekleidung ist die Außendarstellung von Unternehmen kaum mit einem anderen Oberthema so beschäftigt gewesen. Ab 2025 werden neue EU-Richtlinien für einen höheren Druck auf Produzenten und Konsumenten in Hinblick auf Produktionsweisen und Lieferketten sorgen.
Viele vertraute Produkte sind professionell und ohne Qualitätsverluste auf Nachhaltigkeitsaspekte hin untersucht und überarbeitet worden. Standardmaterialien wurden durch weniger belastende Materialien ersetzt und führten nicht selten dann auch zu einem neuen Erscheinungsbild, zu neuen Farben und Oberflächen für gewohnte Produkte. Die Hersteller sind überwiegend zu sehr guten Ergebnissen gekommen und haben ihr know-how eingesetzt, um das Thema attraktiv umzusetzen.
Einige Hersteller haben sich der unbequemen, aber wichtigen Frage zugewandt, wie ein sorgfältig produziertes Produkt am Ende des Lebenszyklus wieder in den Recycling-Prozess zurückgeführt werden kann. Bisher wurde diese Frage gerne eloquent umgangen, die Antworten kamen selten über unverbindliche und blasse Behauptungen hinaus. Technische und logistische Hürden wurden in den vergangenen Jahren nicht überwunden. Der Teppichhersteller Object Carpet hingegen hat einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan und den ersten Mono-Material- Teppichboden präsentiert, der, wie der Name schon sagt, nicht aus mehreren Schichten besteht, die bei einer Entsorgung praktisch nicht mehr voneinander getrennt werden können. 100% Polyester, sonst nichts. Einfach und überzeugend. Der Slogan „designed for endless life“ passt. Nachhaltigkeit 2.0.
Besonders begeistert waren wir von der Präsentation YOUNG SWEDISH DESIGN 2023, ein inspirierendes Feuerwerk unterschiedlicher Gestaltungskompetenzen. Eine Gruppe junger Industrie-, Textil- und ProduktdesignerInnen, Architekten und GrafikdesignerInnen hat unter Beweis gestellt, dass die besten Ergebnisse im Gestaltungsprozess neuer Produkte dann erreicht werden, wenn fachübergreifend und offen miteinander gearbeitet wird. Die alten Trennlinien zwischen den Kompetenzfelder weichen zugunsten schneller und leistungsfähiger Produkte mehr und mehr auf .. sehr spannend aus unserer Perspektive! Die wirtschaftliche Unterstützung wurde durch eine heterogene Gruppe von Sponsoren aus Möbelindustrie, der Stadt Malmö und staatlichen Institutionen möglich, auch hier haben sich Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen auf ein gemeinsames Förderungsziel einigen können und geben so den jungen Kreativen einen bisher nicht gekannten Spielraum.
Die Zeit drängt, um das Thema rasch und effektiv umzusetzen, deshalb sind solche Formen der Zusammenarbeit ein beeindruckend guter Weg, um neue Impulse zu setzen und schnell in die Umsetzung zu kommen. Ein wichtiges Fazit ist, dass konsequente Nachhaltigkeit gestalterisch und technisch keinerlei Nachteile bieten muss. Ein gutes und innovatives Design sorgt dafür, dass die neuen Produkte nicht nur ressourcenschonend produziert und qualitativ gut verarbeitet sind, sondern sorgt dafür, dass die Produkte auch lange genutzt werden, lange gefallen. Die gesamte Messe hatte auf diese Weise eine ungewöhnlich starke politische Ausprägung.
Ein schönes Beispiel für diese erfrischend offene Herangehensweise sind die Entwürfe von Simon Mattisson, der aus einem Kompositmaterial auf Holzfaserbasis eine Möbelkollektion entworfen hat, die mithilfe eines 3DDruckers in Form gebracht wird. Als Grundlage dient Totholz, dass durch den Befall des Fichtenborkenkäfers ansonsten nutzlos wäre. Gestalterisch hat sich der Designer von den Mustern, die der Käfer unter der Rinde produziert hat, inspirieren lassen. Wir waren beeindruckt von dem schönen Gesamtergebnis auf Basis völlig neuer, aber üppig vorhandener Rohstoffquellen.
Frida McDavitt Wallin hat sich mit der Verwendung und Neuinterpretation von Bestandteilen aus einem Hausabbruch beschäftigt und den Fundstücken eine neue, sehr ästhetische Funktion gegeben … eine materialschonende und dennoch anspruchsvolle Kombination aus Kreativität und Gestaltung. Die abgebildete Wandleuchte war zum Teil einmal der hölzerne Handlauf in einem Treppenhaus in einem völlig neuen Kontext. Die Stipendiatin des Swedish Wood Verbandes forderte die BesucherInnen heraus, mit offenen Blick bereits vorhandene Gegenstände in einem neuen Zusammenhang, mit einer neuen Aufgabe zu versehen … statt diese einfach zu entsorgen.
Olle Sahlqvist bezeichnet seine Entwürfe als „Bio-Mimikry-Furniture-Design“. Das Wort Mimikry stammt ursprünglich aus der Tierwelt und bezeichnet die Strategie einer Tierart, ihr Aussehen einer anderen Art anzupassen, um daraus Vorteile zu erlangen. Klingt sehr theoretisch, das Ergebnis aber ist augenscheinlich schön, bequem und überraschend zugleich: ein Sessel, produziert aus dem fadenförmigen Geflecht von Pilzen, den sogenannten Myzelien, kombiniert mit Mehl und Holzfasern entsteht dabei eine neue Form, in diesem ein Möbel. Das Produkt hat erstaunlicherweise einen negativen CO2- Abdruck. Gefördert wurde die Arbeit vom schwedischen Holzverband Swedish Wood.
Unser positiver Eindruck war, dass die Vernetzung von Design, IT-Kompetenz und die technische Entwicklung neuer Werkstoffe und deren Verarbeitung enorm an Fahrt aufgenommen hat und spürbar besser gelingt als noch vor zehn Jahren. Wir werden vielen, im Januar 2023 noch sehr ungewöhnlichen Materialansätzen schon sehr bald in Form von neuen Produkten begegnen. Das schafft die Zuversicht, dass die Möbelindustrie die komplexen Anforderungen an eine umweltbewusste Fertigung von Produkten strategisch und praktisch angeht. Gerne weiter so, wir waren begeistert.
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